[Rezension] Fabienne Siegmund – Das Zylinderkabinett | zauberhaft-poetische Novelle

[unbezahlte Werbung]

„Die Schuhmaus wusste auch, dass das Zylinderkabinett überall und nirgends war und dass die Eingänge so einfach wie magisch waren: Kisten. Zylinder. Manteltaschen. Jackenärmel. Der Käfig eines Kaninchens.
Eben alles, worin ein Magier seine Sachen aufbewahrte.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 18

 

Seit ihrem Roman Die Blätter des Herbstbringers (Verlag ohneohren, 2017) bin ich bekennender Fan von Fabienne Siegmund und den fantastischen Welten aus Tinte und Papier, die sie erschafft. Zu meinem großen Glück kann man auch Zauberkaninchen #bücherhamstern – ansonsten wäre mir eine im wahrsten Sinne des Wortes magische Erzählung entgangen.

 

Auf einen Blick:

Bildrechte liegen beim Art Skript Phantastik Verlag

 

Titel: Das Zylinderkabinett oder das Mädchen, das nicht dorthin gehörte
Reihe: Nein
Autorin: Fabienne Siegmund
Verlag: Art Skript Phantastik Verlag 
Seiten: 108
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 7€/ 2,99€
Erscheinungsdatum: 20.  März 2019
Genre: Fantasy

 

 

Darum geht’s

Alles, was mit Magie in Berührung kommt – egal, ob für einen Sekundenbruchteilwahrer Magie oder für jene Momente, die der Illusion auf den Bühnen der Welt gehören – wird irgendwann selbst magisch.


So geht es auch Puschkin, dem weißen Kaninchen eines Zauberers in Montparnasse, das abseits der Vorstellung sein Leben im Zylinderkabinett verbringt – jenem Ort, an dem Tücher wie Schmetterlinge fliegen und Tauben zu Plastikrosen werden. Dort, wo die Schuhmaus alle Geschichten kennt und der Regenbär die Seerosen gießt, wo die Pikdame die Geheimnisse hütet und die Puschelwuschelohrenkatze ihr Unwesen treibt: Genau dort taucht eines Tages direkt vor Puschkins Hasennase ein winziges Mädchen auf, das einen Schlüssel im Rücken hat und sich nur bewegt, wenn man ihn dreht.
Schnell wird klar, dass Eugenie, wie dieses Mädchen heißt, nicht in das Zylinderkabinett gehört, und so macht sich Puschkin mit ihr auf den Weg zum von allen gefürchteten Schmuckfrosch – der einzigen Hoffnung, die Eugenie noch zu haben scheint …

Quelle: Art Skript Phantastik Verlag

Das Buch

Fabienne Siegmunds Novelle Das Zylinderkabinett ist eine Hommage und zugleich ein buchgewordenes Dankeschön an ihren guten Freund Oliver Plaschka und seinen Roman Die Magier von Montparnasse (Hobbit-Presse, Klett Cotta, 2010). Einer Nebenfigur aus den Magiern hat die Autorin nun ein ganz eigenes Abenteuer gewidmet: dem Zauberkaninchen Puschkin.

Nasewippend, schnurrhaarzitternd und ohrenwackelnd führt Puschkin die Leser*innen durch das Zylinderkabinett, eben jenen magischen Ort, der der Novelle ihren Titel gibt. Und was für ein Ort das ist! Eine Welt für sich, in der alles möglich scheint. Bewohnt von Kreaturen, die kauzig, geheimnisvoll, bedrohlich, hinterlistig, hilfsbereit oder bisweilen auch skurril sind. Doch eines sind sie nie: farb- oder gar fantasielos.

„‚Aber ich bin der Joker. Ich kenn alle Karten, ob gelegt oder nicht.‘
Wieder schenkte er Puschkin ein Grinsen, griff nach einer Hutnadel und hieb sie wie einen Degen durch die Luft, um Wollfäden zu durchtrennen, die ihnen im Weg hingen.
Das Netz der Puschelwuschelohrenkatze war groß.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 64

 

Puschkin nimmt uns mit in diese faszinierende Welt, in der uns in jedem Gang, hinter jeder Biegung etwas anderes erwartet, das uns zum Staunen bringt – als wären wir eine gewisse Alice, die sich in ein Wunderland entführen ließe. Fabienne Siegmund gelingt es unterdessen, mit jedem Wort den feinen Zauber dichter zu weben, der mich an die Erzählung bindet. Da schwingt auch ein Hauch von Nostalgie mit. Die Erinnerung daran, wie man als Kind einem Zauberer im Zirkus zugeschaut hat, völlig in den Bann gezogen von seinen Tricks, die man sich damals doch nur mit wahrer Magie erklären konnte.

Ich muss gestehen: Ich habe mein Herz auf Anhieb an Puschkin verloren. Er ist ein hinreißender Protagonist, absolut niedlich und wirklich goldig. Als eines Tages ein Mädchen mit einem Schlüssel im Rücken im Zylinderkabinett auftaucht, muss er allen Mut, der in seinem Zauberkaninchenherz schlummert, zusammennehmen, um der Fremden zu helfen, diesen Ort zu verlassen, an den sie eigentlich nicht gehört.

„Kurz überlegte er, nicht ins Kabinett zurückzukehren, aber er hatte keine andere Wahl. Hasenherzen wussten, dass man die Dinge nicht mittendrin enden lassen darf. Vor allem Zauberkaninchenherzen.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 53

Das Abenteuer der beiden schildert Fabienne Siegmund in einer Sprache, die ich nur als zauberhaft bezeichnen kann. Die Autorin ist eine wahrhaftige Wortakrobatin mit einem feinen Gespür für Sprache. Sie schöpft neue Ausdrucksmöglichkeiten, die sich niemals erzwungen anfühlen, sondern immer so natürlich, als hätten sie immer schon zum Wortschatz gehört. Ihre Beschreibungen sind fantasievoll-poetisch und ihr Stil sowie ihr Einfallsreichtum müssen den Vergleich mit Neil Gaiman nicht scheuen.

Die Novelle ist eine Ode an und über Freundschaft – und über den Mut, der selbst im kleinsten, furchtsamsten Hasen- bzw. Kaninchenherz schlummert und es über sich hinauswachsen lässt. Eine Geschichte, die mich zum Träumen eingeladen und für eine (allzu kurze) Weile aus dem Alltag entführt hat.

Hinzukommt die liebevolle Gestaltung der Printausgabe. Sogar der Barcode auf der Rückseite kleidet sich in Zylinderform und es gibt ein fabelhaftes Daumenkino, dessen Star – wie sollte es auch anders sein? – ein Kaninchen ist. Damit ist sie vom Cover bis zur Rückseite – ebenso wie die Erzählung, die zwischen den Buchdeckeln schlummert – ein wahrhaft magisches literarisches Kleinod.

Fazit

In Das Zylinderkabinett erzählt Fabienne Siegmund poetisch-fantasievoll und verspielt die wundervolle Geschichte des Zauberkaninchens Puschkin, die zum Träumen einlädt. Optisch und inhaltlich ist die Novelle ein literarisches Kleinod – und für mich schon jetzt ein echtes Herzensbuch.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..