[Rezension] Fabienne Siegmund – Das Zylinderkabinett | zauberhaft-poetische Novelle

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„Die Schuhmaus wusste auch, dass das Zylinderkabinett überall und nirgends war und dass die Eingänge so einfach wie magisch waren: Kisten. Zylinder. Manteltaschen. Jackenärmel. Der Käfig eines Kaninchens.
Eben alles, worin ein Magier seine Sachen aufbewahrte.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 18

 

Seit ihrem Roman Die Blätter des Herbstbringers (Verlag ohneohren, 2017) bin ich bekennender Fan von Fabienne Siegmund und den fantastischen Welten aus Tinte und Papier, die sie erschafft. Zu meinem großen Glück kann man auch Zauberkaninchen #bücherhamstern – ansonsten wäre mir eine im wahrsten Sinne des Wortes magische Erzählung entgangen.

 

Auf einen Blick:

Bildrechte liegen beim Art Skript Phantastik Verlag

 

Titel: Das Zylinderkabinett oder das Mädchen, das nicht dorthin gehörte
Reihe: Nein
Autorin: Fabienne Siegmund
Verlag: Art Skript Phantastik Verlag 
Seiten: 108
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 7€/ 2,99€
Erscheinungsdatum: 20.  März 2019
Genre: Fantasy

 

 

Darum geht’s

Alles, was mit Magie in Berührung kommt – egal, ob für einen Sekundenbruchteilwahrer Magie oder für jene Momente, die der Illusion auf den Bühnen der Welt gehören – wird irgendwann selbst magisch.


So geht es auch Puschkin, dem weißen Kaninchen eines Zauberers in Montparnasse, das abseits der Vorstellung sein Leben im Zylinderkabinett verbringt – jenem Ort, an dem Tücher wie Schmetterlinge fliegen und Tauben zu Plastikrosen werden. Dort, wo die Schuhmaus alle Geschichten kennt und der Regenbär die Seerosen gießt, wo die Pikdame die Geheimnisse hütet und die Puschelwuschelohrenkatze ihr Unwesen treibt: Genau dort taucht eines Tages direkt vor Puschkins Hasennase ein winziges Mädchen auf, das einen Schlüssel im Rücken hat und sich nur bewegt, wenn man ihn dreht.
Schnell wird klar, dass Eugenie, wie dieses Mädchen heißt, nicht in das Zylinderkabinett gehört, und so macht sich Puschkin mit ihr auf den Weg zum von allen gefürchteten Schmuckfrosch – der einzigen Hoffnung, die Eugenie noch zu haben scheint …

Quelle: Art Skript Phantastik Verlag

Das Buch

Fabienne Siegmunds Novelle Das Zylinderkabinett ist eine Hommage und zugleich ein buchgewordenes Dankeschön an ihren guten Freund Oliver Plaschka und seinen Roman Die Magier von Montparnasse (Hobbit-Presse, Klett Cotta, 2010). Einer Nebenfigur aus den Magiern hat die Autorin nun ein ganz eigenes Abenteuer gewidmet: dem Zauberkaninchen Puschkin.

Nasewippend, schnurrhaarzitternd und ohrenwackelnd führt Puschkin die Leser*innen durch das Zylinderkabinett, eben jenen magischen Ort, der der Novelle ihren Titel gibt. Und was für ein Ort das ist! Eine Welt für sich, in der alles möglich scheint. Bewohnt von Kreaturen, die kauzig, geheimnisvoll, bedrohlich, hinterlistig, hilfsbereit oder bisweilen auch skurril sind. Doch eines sind sie nie: farb- oder gar fantasielos.

„‚Aber ich bin der Joker. Ich kenn alle Karten, ob gelegt oder nicht.‘
Wieder schenkte er Puschkin ein Grinsen, griff nach einer Hutnadel und hieb sie wie einen Degen durch die Luft, um Wollfäden zu durchtrennen, die ihnen im Weg hingen.
Das Netz der Puschelwuschelohrenkatze war groß.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 64

 

Puschkin nimmt uns mit in diese faszinierende Welt, in der uns in jedem Gang, hinter jeder Biegung etwas anderes erwartet, das uns zum Staunen bringt – als wären wir eine gewisse Alice, die sich in ein Wunderland entführen ließe. Fabienne Siegmund gelingt es unterdessen, mit jedem Wort den feinen Zauber dichter zu weben, der mich an die Erzählung bindet. Da schwingt auch ein Hauch von Nostalgie mit. Die Erinnerung daran, wie man als Kind einem Zauberer im Zirkus zugeschaut hat, völlig in den Bann gezogen von seinen Tricks, die man sich damals doch nur mit wahrer Magie erklären konnte.

Ich muss gestehen: Ich habe mein Herz auf Anhieb an Puschkin verloren. Er ist ein hinreißender Protagonist, absolut niedlich und wirklich goldig. Als eines Tages ein Mädchen mit einem Schlüssel im Rücken im Zylinderkabinett auftaucht, muss er allen Mut, der in seinem Zauberkaninchenherz schlummert, zusammennehmen, um der Fremden zu helfen, diesen Ort zu verlassen, an den sie eigentlich nicht gehört.

„Kurz überlegte er, nicht ins Kabinett zurückzukehren, aber er hatte keine andere Wahl. Hasenherzen wussten, dass man die Dinge nicht mittendrin enden lassen darf. Vor allem Zauberkaninchenherzen.“

aus: Fabienne Siegmund, Das Zylinderkabinett, S. 53

Das Abenteuer der beiden schildert Fabienne Siegmund in einer Sprache, die ich nur als zauberhaft bezeichnen kann. Die Autorin ist eine wahrhaftige Wortakrobatin mit einem feinen Gespür für Sprache. Sie schöpft neue Ausdrucksmöglichkeiten, die sich niemals erzwungen anfühlen, sondern immer so natürlich, als hätten sie immer schon zum Wortschatz gehört. Ihre Beschreibungen sind fantasievoll-poetisch und ihr Stil sowie ihr Einfallsreichtum müssen den Vergleich mit Neil Gaiman nicht scheuen.

Die Novelle ist eine Ode an und über Freundschaft – und über den Mut, der selbst im kleinsten, furchtsamsten Hasen- bzw. Kaninchenherz schlummert und es über sich hinauswachsen lässt. Eine Geschichte, die mich zum Träumen eingeladen und für eine (allzu kurze) Weile aus dem Alltag entführt hat.

Hinzukommt die liebevolle Gestaltung der Printausgabe. Sogar der Barcode auf der Rückseite kleidet sich in Zylinderform und es gibt ein fabelhaftes Daumenkino, dessen Star – wie sollte es auch anders sein? – ein Kaninchen ist. Damit ist sie vom Cover bis zur Rückseite – ebenso wie die Erzählung, die zwischen den Buchdeckeln schlummert – ein wahrhaft magisches literarisches Kleinod.

Fazit

In Das Zylinderkabinett erzählt Fabienne Siegmund poetisch-fantasievoll und verspielt die wundervolle Geschichte des Zauberkaninchens Puschkin, die zum Träumen einlädt. Optisch und inhaltlich ist die Novelle ein literarisches Kleinod – und für mich schon jetzt ein echtes Herzensbuch.

[Rezension] Jessica Bernett – Elayne. Rabenkind | Neuinterpretation der Artus-Sage

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„Ihre Worte brannten sich in meine Seele. Eines Tages wird Elayne ein Kind gebären. Einen Sohn. Er wird der höchste aller Männer, der Fähigste und Reinste, geliebt von allen Mächten dieser Welt.“ 

aus: Jessica Bernett, Elayne – Rabenkind, S. 41


Wer mich kennt, der weiß, dass mein Herz für Mythen und historische Stoffe schlägt. Umso besser, wenn ein Roman beides in sich vereint – und mich auch noch nach England entführt. Kein Wunder, dass ich Elayne – Rabenkind, dem Auftakt zu Jessica Bernetts romantischer Neuinterpretation der Artus-Sage, nicht widerstehen konnte.

Auf einen Blick:

 

 

Titel: Elayne – Rabenkind
Reihe: Elayne, Band 1 (von 3)
Autorin: Jessica Bernett
Verlag: Sternensand Verlag 
Seiten: 342
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 14,90€/ 4,99€
Erscheinungsdatum: 9.  März 2018
Genre: Historische Fantasy

 

 

Darum geht’s

Eine Prophezeiung, der sie nicht entkommt. Eine Bürde, die sie kaum tragen kann. Eine Liebe, zart, zerbrechlich und bedroht von Lügen, Intrigen sowie dem Spiel der Macht. Die junge Elayne von Corbenic wächst im Norden Britanniens in einer düsteren Festung auf. Ihr Vater, König Pelles, ist besessen von einer Vision, die Elaynes Mutter kurz vor ihrem Tod gehabt haben soll. Demnach wird Elayne die Mutter des größten Helden aller Zeiten. Dafür opfert der König alles: das Wohlergehen seines Volkes und die Liebe seiner Tochter.

Quelle: Sternensand Verlag

Das Buch

Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich Elayne auf der Frankfurter Buchmesse 2018 am Stand des Sternensand Verlags entdeckte. Das Cover ist so wunderschön, dass ich mich kaum daran sattsehen kann. Als der Klappentext mich dann auch noch auf eine Reise ins Britannien der Zeit des sagenumwobenen Königs Artus einlud, konnte ich nicht anders, als das Sternchen vom Fleck weg zu adoptieren. :) Eine – zugegeben lange – Weile fristete der Roman ein trostloses Dasein auf meinem SuB, bis ich mich nun endlich an Elaynes Geschichte wagte.

Artus, Morgaine, Merlin, Lancelot – große Namen, deren bloßer Klang genügt, uns die Erzählung eines ganzen Sagenkreises ins Gedächtnis zu rufen. Auch die junge Elayne von Corbenic ist Teil dieser Legenden, denn ihr ist es bestimmt, die Mutter des größten Helden aller Zeiten zu werden.

„Ihr Vater hatte Pläne für sie. (…) Würde er sie fortschicken? Nach Camelot vielleicht, sodass sie eine Zeit lang in der Halle des Königs verweilen konnte? Oder noch weiter nach Süden, fort aus Britannien?“

aus: Jessica Bernett, Elayne – Rabenkind, S. 39

Ihre Geschichte beginnt eher ländlich-idyllisch. Wir lernen Elayne als lebenslustige, neugierige und vorwitzige junge Frau kennen. Werden mit ihren Lebensumständen, ihrer Familie und ihren Freunden vertraut gemacht. Die ersten Seiten plätschern friedlich dahin, der Schreibstil der Autorin liest sich sehr angenehm. Dennoch ließ der Anfang nicht grade einen Funken der Begeisterung auf mich überspringen.

Das änderte sie jäh, als die Sprache endlich auf besagte Prophezeiung bzw. Vision kam, die schon der Klappentext ankündigte. Ab dieser Stelle hatte mich der Roman endlich und vollends gepackt. Ich wollte unbedingt tiefer in Elaynes Welt eintauchen. Und dann kam Galahad.

„Elayne stemmte die Hände in die Hüften und sah ihren Vater streng an (…) ‚Er ist ein Barde aus dem Süden und die schönen Häuser dort gewohnt. Willst du, dass er in seine Heimat zurückkehrt und ein Lied vom garstigen Pelles singt? Und von der Kälte der Festung Corbenic?‘“

aus: Jessica Bernett, Elayne – Rabenkind, S. 56

Der Barde bringt frischen Wind und Schwung in die Geschichte. Er ist, das muss ich zugeben, wahnsinnig, beinahe schon unwiderstehlich charmant, und hat mich schon bei seinem ersten Auftritt um den Finger gewickelt. Ebenso wie die anderen Charaktere, die Jessica Bernett uns vorstellt, hat auch er Ecken und Kanten – und hütet das ein oder andere Geheimnis.

Zwischen Galahad und der wesentlich jüngeren Elayne entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte, die mit jeder Zeile, mit jeder Seite wächst und an Stärke gewinnt. Dass die Königstochter und der Barde für einander bestimmt sind, spürt man mehr als deutlich. Nur Galahad sträubt sich vehement gegen seine Gefühle. So vehement, dass ich ihm gern das ein oder andere Mal einen kleinen Schubs gegeben hätte, damit es ihm leichter fällt, endlich über seinen eigenen Schatten zu springen.

„‚Ist er nicht ein wenig jung für dich?‘, flüsterte Elayne zurück.
‚Vielleicht findet er Gefallen an den Erfahrungen des Alters‘, meinte Brisen und trank einen Schluck aus ihrem Becher. ‚Obwohl er wohl doch eher Gefallen an der Unschuld deiner Jugend finden könnte.‘“

aus: Jessica Bernett, Elayne – Rabenkind, S. 74

Mein durchweg positiver Leseeindruck wurde durch eine ganz bestimmte Szene nachhaltig getrübt. Ich möchte – und werde – nicht spoilern, daher nur so viel: Elayne wird an einer Stelle der Handlung mit einem Trick überlistet, der für mich an den Haaren herbeigezogen wirkte. Im historischen Nachwort wird zwar erklärt, dass dieser Teil der Legende von Elayne sei. Dennoch bin ich nicht ganz glücklich mit dieser Wendung. Meiner Meinung nach sind die Figuren und die Entwicklung ihrer Beziehung so angelegt, dass das, was geschehen ist, auch ohne diesen Trick geschehen wäre.

Die Autorin greift nicht auf den klassischen Abschnitt des Artus-Mythos zurück, sondern siedelt die Handlung ihres Romans während seiner Herrschaftszeit an. In Rabenkind begegnen wir dem sagenumwobenen König leider noch nicht – aber im bereits erschienenen zweiten Band Elayne – Rabenherz soll es laut Jessica Bernett so weit sein.

Besonders hervorheben möchte ich das großartige historische Nachwort, in dem die Autorin mit großer Fabulierfreude und sehr unterhaltsam die Hintergründe des Romans beleuchtet. Nicht zuletzt an dieser Stelle wird deutlich, wie intensiv Bernett den historischen Kontext recherchiert und sich mit der Legende von Elayne auseinandergesetzt hat. Als zusätzlichen Leckerbissen gibt es im Anhang noch eine Reihe kurzweiliger Interviews, die einige Bloger*innen mit der Autorin geführt haben.

Die intensive Recherche kommt auch der Atmosphäre des Romans zu gute. Zwischen den Zeilen weht der Duft des Alten, eine Ahnung des So-könnte-es-gewesen-sein. Manchmal frage ich mich nur, warum die Figuren ab und an plötzlich den ein oder anderen Satz auf Latein sagen – in so unterschiedlichen Kontexten, dass mir noch immer nicht klar ist, ob es wirklich der Geschichtsnähe oder Charakterisierung der Figuren dienen soll. Das ist aber wirklich Meckern auf hohem Niveau.

Ein weiteres kleines Manko ist für mich, dass sich Elayne hinter dem Label „historische Fantasy“ versteckt. Der Roman ist im Sternensand Verlag erschienen, dessen Schwerpunkt auf Fantasy und Romantasy liegt. Demnach verkauft sich eine historische Fantasy dort sicher besser als ein „normaler“ historischer Roman. Vielleicht ist diese Genreeinteilung auch dem mythischen Hintergrund der Geschichte geschuldet. Fantasy kommt – bis auf eine Vision und eine Sagengestalt, die keine ist – eigentlich nicht in Elayne vor.

Trotz der wenigen kleinen Kritikpunkt hat mir der Roman schöne Lesestunden beschert. Gern hätte ich die Gelegenheit genutzt, auf der Leipziger Buchmesse mit Jessica über ihren Roman zu plaudern und mir den zweiten Band der Reihe von ihr signieren zu lassen. Schade, dass daraus nichts geworden ist.

Fazit

Elayne – Rabenkind ist der gelungene Auftakt zu einer historisch-fantastischen Trilogie, die sich einer eher weniger beachteten Figur des Artus-Mythos annimmt: Elayne von Corbenic. Die lebendige Atmosphäre und eine wundervolle Liebesgeschichte machen diesen Roman lesens- und empfehlenswert.

 


Die Geschichte geht weiter …
  • Elayne – Rabenherz (Sternensand Verlag, März 2019)
  • Gawain – Lichtfalke, Einzelband (Sternensand Verlag, April 2020)

 

[Rezension] Alex M. Schwarze – Cróthpall. Glut der Schatten

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„Er war dabei, sich anzupassen. Warum konnten das die anderen Hexenmeister nicht? Warum trauerten sie immer noch den alten Zeiten hinterher? Ihr Abkommen war nichtig. Ein Versprechen aus vergangenen Tagen, um den Frieden zu wahren. Doch diese Zeiten waren vorbei …“

aus: Alex M. Schwarze, Cróthpall – Glut der Schatten

Im NaNoWriMo 2018 hatte ich das große Glück, durch einen Wink des Schicksals nicht nur die Selfpublisherin Alex M. Schwarze, sondern auch ihre faszinierenden Romanwelten kennenzulernen. Die Schnipsel aus ihrem damaligen Projekt waren so düster-romantisch und atmosphärisch, dass ich mich Ende November gar nicht mehr davon lösen mochte. Zum Glück für mich hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits Cróthpall – Glut der Schatten, veröffentlicht – den Auftakt zu einer düsteren Fantasy-Trilogie, der mit ebendieser Welt verknüpft ist, in die ich mich so verliebt habe.

Auf einen Blick:

 

Titel: Cróthpall – Glut der Schatten
Reihe: Cróthpall, Band 1 (von 3)
Autorin: Alex M. Schwarze
Verlag: Selfpublishing
Seiten: 464
Format: E-Book
Preis: 4,99€
Erscheinungsdatum: 21.  März 2018
Genre: Dark Fantasy/Romantasy

 

Darum geht’s

Als das magische Zeitalter vorübergeht, schließen die letzten Hexenmeister einen Pakt, der sie am Leben hält, aber sie einen Teil ihrer Fähigkeiten beraubt. Seitdem leben sie unerkannt unter den Menschen. Erst wenn einer der Hexenmeister mit einem Kristallschwert getötet wird, bricht der Pakt und der Krieg entbrennt erneut. Und der Tag steht kurz bevor.

Das Buch

Dass ein Buch mit einem Prolog beginnt, ist nicht ungewöhnlich. Doch Alex M. Schwarze stellt Glut der Schatten gleich zwei Prologe voran: Im ersten erleben wir eine beklemmend düstere Vision. Im zweiten Lernen wir eine der Hauptfiguren kennen – und zumindest ich bin ihrem Charme prompt erlegen (dazu später mehr).

Die Handlung von Cróthpall spielt zu unserer Zeit, vornehmlich in den schottischen Highlands – ein wildromantisches Setting, in dem es gar nicht schwer fällt zu glauben, dass es Mächte auf der Welt gibt, die unsere bloße Vorstellungskraft übersteigen: die Welt der Magie. Und genau dort nimmt die Geschichte ihren Ausgang:

Catriona war eine Ordensschwester von Cróthpall, sie dienten der Zeit, dem Schicksal und dem Wohl aller.“

aus: Alex M. Schwarze, Cróthpall – Glut der Schatten

Dieser Orden befindet sich abgeschieden von der Welt und vor den Blicken der Menschen verborgen in dichten Nebeln. Wer sich hier an Die Nebel von Avalon erinnert fühlt: Mir erging es da nicht anders. Doch die friedliche Idylle gerät spätestens dann ins Wanken, als Catriona auf einen verwundeten Mann stößt. Ihr gutes Herz (und ihr ausgeprägtes Helfersyndrom) lassen ihr keine andere Wahl, als sich um den Fremden zu kümmern, zumal sie sich zur Heilerin berufen fühlt. Sie verbirgt ihn vor ihren Schwestern, obwohl sie damit gegen die Regeln des Ordens verstößt, doch kümmert sich hingebungsvoll um ihn.

Zum Dank entführt er sie prompt aus Cróthpall, sobald er wieder bei Kräften ist. Denn eine Schwester wie Catriona könnte der Schlüssel zu dem sein, wonach er sich am meisten sehnt: Der Schlüssel zur Rache.

„Um endgültig frei zu sein, musste er den Pakt brechen, an den er gebunden war. (…) Er würde sich von den Hexenmeistern befreien und sich rächen. Und er würde sie töten, bevor sie ihn töteten.“

aus: Alex M. Schwarze, Cróthpall – Glut der Schatten

Das Zitat verrät schon ziemlich gut, wonach unser Hexenmeister Kincaid strebt. Er ist machtgierig, gerissen und düster. Und ja, das macht ihn auf gewisse Weise auch unverschämt attraktiv. Die Passagen, die aus seiner Perspektive geschrieben waren, haben mir am allerbesten gefallen. Ich weiß auch nicht, irgendwie konnte ich mich seinem dunklen Bann nicht entziehen.

Ebenso erging es mir mit den meisten anderen männlichen Charakteren. Da hätten wir zum Beispiel noch den prinzipientreuen Raghnall, zu dem Catriona sich hingezogen fühlt, obwohl sie eine Schwester von Cróthpall ist und sich ihm eigentlich nicht hingeben darf und … seufz

Zwischen den beiden funkt es von ihrer ersten Begegnung an. Sie treiben das Spiel aus Nähe und Distanz zu wahrer Meisterschaft, bis man sich beim Lesen denkt: Mensch, wann kriegen sich die beiden denn endlich?

Und da liegt für mich eine Schwäche des Romans. Die Autorin erklärt in ihrer Vita düstere Geschichten mit einem Hauch Romantik zu schreiben, aber für meinen Geschmack steht das Wann-kriegen-sie-sich-endlich? zu stark im Fokus – und das nicht nur in Catrionas-Handlungsstrang. Dass Kincaid drauf und dran ist, die Welt ins Chaos zu stürzen, scheint da oft nebensächlich.

Alex M. Schwarze zeichnet ihre Charaktere plastisch und vor allem die männlichen Protagonisten waren mir sehr sympathisch. Nur mit den Frauen habe ich mich schwer getan – dabei erzählt der Roman überwiegend aus ihrer Sicht. Catriona ist für mich über weite Strecken einfach nur nervig und naiv gewesen. Klar, die Welt, aus der sie kommt, ist behütet und friedvoll. Ganz anders, als die Welt, in die Kincaid sie entführt. Aber … ich glaube ein Zitat illustriert besser, was ich meine:

„‚Du fürchtest dich scheinbar vor allem‘, bemerkte er abfällig. Und dann wollte sie die Welt sehen, in der es nichts als Grausamkeiten gab? Er schüttelte den Kopf. Was sollte er auch anderes von einer Schwester von Cróthpall erwarten? Sie waren hilflose, zerbrechliche Frauen.“

aus: Alex M. Schwarze, Cróthpall – Glut der Schatten

Zu Catrionas Ehrenrettung muss ich sagen, dass sie sich im Verlauf der Handlung entwickelt und eine Stärke gewinnt, die ich ihr anfangs gar nicht zugetraut habe. Ganz anders als Kenzi, die tough und bisweilen rücksichtslos ist – und damit in gewisserweise der Gegenentwurf zu Catriona. Von dem, was Letzterer an Selbstbewusstsein und Stärke fehlte, hatte Kenzi manchmal etwas zu viel. Auch mit ihr bin ich nicht richtig warm geworden.

Trotzdem – und da dürfen die kleinen Kritikpunkte nicht drüber hinwegtäuschen – hat mir Glut der Schatten unheimlich gut gefallen. Der Roman ist unterhaltsam geschrieben und wirft einen bedrohlichen Konflikt auf, auf dessen Lösung ich wirklich gespannt bin. Zudem versteht es Alex M. Schwarze, ihre Leser*innen mit ihrer bildhaften Sprache in den Bann zu ziehen. Und zuletzt ist auch der düstere Charme des Antagonisten nicht ganz unschuldig daran, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Fazit

Cróthpall – Glut der Schatten ist ein gelungener Trilogieauftakt, in dem Alex M. Schwarze ihre Leser in die faszinierende Welt von Cróthpall entführt. Vor allem für Freunde dunkler Romantik bedenkenlos zu empfehlen.

 


Die Geschichte geht weiter …
  • Cróthpall – Flammen der Schatten (August 2018)
  • Cróthpall – Feuer der Schatten  (Januar 2018)

 

[Rezension] Christopher Paolini – Die Gabel, die Hexe und der Wurm

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„Bisweilen träumte er davon, sein Schwert Brisingr zu gürten, auf Saphira zu steigen und zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Aber das war eben nur ein Traum.“

(Christopher Paolini, Die Gabel, die Hexe und der Wurm, S. 18)

… und ein Traum, den zumindest auch die Fans von Paolinis Eragon-Reihe träumen (mich miteingeschlossen). Nun legt der Autor mit Die Gabel, die Hexe und der Wurm zumindest eine Kurzgeschichtensammlung vor, die uns wieder nach Alagaësia entführt.

Achtung: Wirkliche Freude an dem Buch werden nur diejenigen haben, die die vorangegangenen vier Bände von Eragon gelesen haben.

Auf einen Blick:

 

Titel: Die Gabel, die Hexe und der Wurm
Reihe: Geschichten aus Alagaësia 1
Autorin: Christopher Paolini
Verlag: cbj Verlag
Seiten: 304
Format: Hardcover
Preis: 18,00€
Erscheinungsdatum: 21.  Januar 2019
Genre: Fantasy/Jugendbuch

 

Darum geht’s

Ein Wanderer und ein verfluchtes Kind.
Zaubersprüche und Magie.
Und natürlich Drachen.
Willkommen zurück in Eragons Welt!

Es ist ein Jahr her, dass Eragon aus Alagaësia aufgebrochen ist auf der Suche nach dem geeigneten Ort, um eine neue Generation Drachenreiter auszubilden. Jetzt kämpft er mit unendlich vielen Aufgaben: Er muss einen riesigen Drachenhorst bauen, Dracheneier bewachen und mit kriegerischen Urgals, stolzen Elfen und eigensinnigen Zwergen zurechtkommen. Doch da eröffnen ihm eine Vision der Eldunarí, unerwartete Besucher und eine spannende Legende der Urgals neue Perspektiven.

Dieser Band enthält drei neue Geschichten aus Alagaësia und führt Eragon an den Beginn eines neuen Abenteuers. Außerdem enthüllt das Buch Auszüge aus der Biografie der unvergesslichen Kräuterhexe und Weissagerin Angela … geschrieben von Angela Paolini, der Schwester des Autors, die ihn zu dieser Figur inspiriert hat.

Illustriert mit vier neuen Originalzeichnungen des Autors!

(Quelle: cbj Verlag)

Das Buch

Lange Jahre habe ich auf neuen Lesestoff aus der Feder von Christopher Paolini gewartet. Oft hat er von einem fünften Band von Eragon gesprochen (mittlerweile ist sogar von einer Trilogie die Rede). Nun legt er stattdessen zunächst eine Kurzgeschichtensammlung mit einem – zugegeben – sperrigen Titel vor. Paolini gibt selbst zu, dass das Projekt mit heißer Nadel gestrickt wurde: Im Sommer 2018 schrieb er Eine Gabel und eine Weggabelung. Bereits Ende Dezember erschien das Buch im englischsprachigen Raum.

Eragon ist eine der Buchreihen, die mich durch meine Jugend begleitet haben. Auf jeden Band habe ich hingefiebert – und nun auch sehnlichst die Veröffentlichung der Kurzgeschichtensammlung erwartet. Allerdings war ich auch skeptisch, was den Mehrwert dieses Buches angeht – und bin es auch jetzt noch.

Die Gabel, die Hexe und der Wurm spielt etwa ein Jahr nach den Ereignissen des letzen Eragon-Bandes Das Erbe der Macht. Unser Held wirkt deutlich gereifter, erwachsener als früher. Kein Wunder, bedenkt man, was er bereits erlebt hat. Die Verantwortung, sich um die Eldunari und die Dracheneier – und somit um eine zukünftige Generation von Drachenreitern – zu kümmern, lastet schwer auf seinen Schultern. Gemeinsam mit Saphira nimmt sich der Aufgabe an, einen geeigneten Ort dafür zu schaffen.

In diese Rahmenhandlung, die uns bereits ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen Figuren der Reihe beschert, bettet Paolini die drei Kurzgeschichten rund um die Gabel, die Hexe und den Wurm ein – und das auf sehr geschickte, kunstvolle Weise.

Die Gabel

Im Vorfeld der Veröffentlichung hat es besonders viele Spekulationen um den Inhalt dieser Kurzgeschichte und die Frage, was es mit der ominösen Gabel auf sich haben könnte, gegeben. Deshalb war ich auf diese Erzählung besonders gespannt. Tatsächlich nimmt Paolini sich hier eines schweren und wichtigen Themas an: Ausgrenzung.

„‚Manchmal‘, sagte er zu ihr, ‚muss man aufstehen und kämpfen. Manchmal kommt Weglaufen nicht infrage. Verstehst du das jetzt?‘
‚Ja‘, flüsterte Essie. “ 

(Christopher Paolini, Die Gabel, Die Hexe und der Wurm, S. 75)

Die kleine Essie, die im Mittelpunkt der Geschichte steht, sieht sich mit einer Situation konfrontiert, in der es für sie nur einen Ausweg zu geben scheint, nämlich den, wegzulaufen. Doch dann trifft sie im Gasthaus ihres Vaters auf einen Fremden, der ihr Mut macht …

All das erzählt Paolini sehr feinfühlig und einfühlsam. Die Gabel ist eine sehr gelungene Geschichte. Vor allem die letzten Seiten, in denen sich der Fokus von Essie auf den Fremden verschiebt, behandeln genau das, was ich mir seit dem Ende von Eragon 4 (mit dem ich nicht in jeder Hinsicht zufrieden war) zu erfahren gewünscht habe. Gern hätte dieser Abschnitt noch etwas länger sein dürfen.

Geschickt streut der Autor zudem einige Hinweise auf eine neue Bedrohung ein, die vielleicht Dreh- und Angelpunkt für eine mögliche Fortsetzung werden könnte – und er lässt darauf hoffen, dass es doch noch eine versöhnliche Zukunft für einen meiner Lieblingscharaktere geben könnte.

Die Hexe

… ist die Geschichte, mit der ich leider am wenigsten anfangen konnte. Möglicherweise deshalb, weil sie nicht von Christopher, sondern von seiner Schwester Angela geschrieben wurde. Bei Über das Wesen der Sterne handelt sich sich um Auszüge aus der Autobiographie der Kräuterhexe Angela, für deren Figur Paolinis Schwester Vorbild stand.

„Strebt nach Weisheit! Oder zumindest nach einer Verringerung der Idiotie. – Angela, die Vielnamige

(Christopher Paolini, Die Gabel, Die Hexe und der Wurm, S. 109 )

An sich zeigt die Geschichte deutlich, wie viel Entwicklungspotential noch in einem bestimmten Charakter steckt. Insgesamt ist sie jedoch genau so konfus, verwirrend und geheimnisvoll geraten wie die Kräuterhexe selbst. Sprachlich leider deutlich schwächer als der Rest des Buches.

Der Wurm

Ist ein absolutes Highlight! Glaubt mir, allein für diese Erzählung einer alten Urgal-Legende lohnt es sich, das Buch in die Hand zu nehmen.

„Während er lauschte, fühlte er sich in eine andere Zeit und an einen anderen Ort versetzt, und die Ereignisse von Irks Geschichte erschienen ihm bald so real wie die Halle selbst.“

(Christopher Paolini, Die Gabel, die Hexe und der Wurm, S. 162)

Und genau wie Eragon erging es mir beim Lesen auch. Schon nach den ersten Worten verschwammen für mich die Grenzen zwischen der Geschichte und der Realität. Sie hatte mich vollkommen in den Bann gezogen. Der Wurm vom Kulkaras ist eine düstere, bedrohliche Erzählung von Verlust, Schmerz und Rache, die bild- und wortgewaltig geschildert werden. Wirklich genial!

Der Gesamteindruck

Die Gabel, die Hexe und der Wurm konnte bei mir vor allem mit einem punkten: der Nostalgie. Es brauchte gar nicht viele Seiten, um mir dieses nostalgisch-warme Gefühl zu geben, als käme ich nach Hause und träfe alte Freunde wieder. Allein das macht dieses Buch für mich unheimlich wertvoll und schön.

Hinzukommt, dass die Gabel und der Wurm auf ihre jeweils ganz eigene Weise sehr gut geschriebene Geschichten sind. Ich habe es wirklich genossen, wieder nach Alagaësia reisen zu dürfen – und würde es jederzeit wieder tun. Der Untertitel des Büchleins – Geschichten aus Alagaësia1 – lässt zumindest vermuten, dass noch mehr Kurzgeschichten in Planung sind. Und jetzt kommt das große ABER.

Wie eingangs erwähnt, bin ich immer noch unschlüssig, was ich von der Sammlung als Ganzes halten soll. Da gibt es einfach einige Punkte, die mir sauer aufstoßen. Vor allem das Layout: riesengroße Schrift, breite Seitenränder. Für den immerhin stolzen Preis von 18€ bekommt man sehr sehr wenig Text. So wenig, wie ich finde, dass ich mich wirklich frage, ob hier nicht jemand versucht, noch möglichst viel Geld aus der Marke Eragon rauszuholen (vor allem, da die Reihe auch neue Cover spendiert bekommen hat). Dass noch dazu eine Geschichte nicht von Paolini stammt, sondern von seiner Schwester – geschenkt.

Insgesamt wirkt Die Gabel, die Hexe und der Wurm auf mich, wie ein Versuch, die Begeisterung um Eragon neu anzufachen und die Reihe wieder ins Gespräch zu bringen. Das ganze Buch liest sich wie ein Teaser für den ominösen fünften Band von Eragon, der – Schreibgott bewahre! – hoffentlich nicht nur ein Aufguss altbekannter Ideen sein wird, wenn er denn mal veröffentlicht wird.

Fazit

Die Gabel, die Hexe und der Wurm beschert Fans ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen Charakteren aus dem Eragon-Universum. Vor allem die Erzählung rund um den Wurm hebt sich deutlich von den anderen Geschichten ab. Ein kurzes Lesevergnügen, das jedes Fanherz höherschlagen lassen wird.

[Rezension] Jay Kristoff – Nevernight. Die Prüfung | Ein Buch wie eine Naturgewalt

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„Du wirst ein Gerücht sein. Ein Flüstern. (…) Das Letzte, was du in dieser Welt je sein wirst, Mädchen, ist ein Held für irgendwelche Leute.“

(Jay Kristoff, Nevernight. Die Prüfung, S. 25)

Vor einiger Zeit schon habe ich Die Prüfung, den Auftakt zu Jay Kristoffs High Fantasy Trilogie Nevernight verschlungen. Doch bis heute weiß ich nicht, ob meine Rezension diesem außergewöhnlichen Buch auch nur ansatzweise gerecht werden kann.

Auf einen Blick:

 

Titel: Nevernight. Die Prüfung
Reihe: Nevernight, Band 1
Autorin: Jay Kristoff
Verlag: Fischer TOR
Seiten: 704
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 22,99 €/ 16,99€
Erscheinungsdatum: 24.  August 2017
Genre: Dark/High Fantasy

 

Darum geht’s

Sie ist keine Heldin. Sie ist eine Frau, die Helden fürchten.

In einer Welt mit drei Sonnen,
in einer Stadt, gebaut auf dem Grab eines toten Gottes,
sinnt eine junge Frau, die mit den Schatten sprechen kann, auf Rache.

Mia Corvere kennt nur ein Ziel: Rache. Als sie noch ein kleines Mädchen war, haben einige mächtige Männer des Reiches – Francesco Duomo, Justicus Remus, Julius Scaeva – ihren Vater als Verräter an der Itreyanischen Republik hinrichten und ihre Mutter einkerkern lassen. Mia selbst entkam den Häschern nur knapp und wurde unter fremdem Namen vom alten Mercurio großgezogen, einem Antiquitätenhändler. Mercurio ist jedoch kein gewöhnlicher Bürger der Republik, er bildet Attentäter für einen Assassinenorden aus, die »Rote Kirche«. Und Mia ist auch kein gewöhnliches Kind, sie ist eine Dunkelinn: Seit der Nacht, in der ihre Familie zerstört wurde, wird sie von einer Katze begleitet, die in ihrem Schatten lebt und sich von ihren Ängsten nährt. Mercurio bringt Mia vieles bei, doch um ihre Ausbildung abzuschließen, muss sie sich auf den Weg zur geheimen Enklave der »Roten Kirche« machen, wo sie eine gefährliche Prüfung erwartet …

(Quelle: Fischer TOR)

Das Buch

Kein anderer Roman war im Buchherbst 2017 so präsent wie der erste Band der Nevernight-Trilogie. Zumindest fiel mir keiner so deutlich ins Auge. Das Buch entdeckte ich zuerst bei Nicci von Trallafitti Books, die es wunderschön atmosphärisch in Szene gesetzt hatte. Ich war schockverliebt und wusste: Diese Geschichte muss ich unbedingt lesen!

„Die letzte Tochter einer entehrten Familia. Auf dem Weg zur besten Assassinenschule der ganzen Republik. Hast du vielleicht vor, nach deinem Abschluss ein paar Rechnungen zu begleichen?“ 

(Jay Kristoff, Nevernight. Die Prüfung, S. 97)

In Nevernight begleiten wir die 16-jährige Mia Corvere, die sich zu einer tödlichen Assassine ausbilden lässt, um sich an den drei mächtigsten Männern der itreyanischen Republik für den Verlust ihrer Familie zu rächen. Mia ist tough, gnaden- und erbarmungslos. Beinahe herzlos mag sie scheinen, wie sie Mord um Mord begeht, um ihrem großen Ziel näher zu kommen. Selten nur lässt sie Schwäche zu – sei es bei anderen oder bei ihr selbst. Immer treu an ihrer Seite: Eine Schattenkatze, die sie furchtlos macht und ihr ungebeten (oft sarkastische) Ratschläge gibt. Denn Mia hat ein besonderes Talent: Sie kann Schatten weben.

Das ist aber nur ein Aspekt, der die Faszination ausmacht, die Nevernight auf mich ausübt.

Nevernight ist düster.
Nevernight ist blutig.
Nevernight ist wie eine Naturgewalt, die dich mitreißt und atemlos zurücklässt.

„Mia gönnte es ihm von Herzen, dass wer den ganzen Ruhm erhielt. Es war immer besser, unterschätzt zu werden.“

(Jay Kristoff, Nevernight. Die Prüfung, S. 526 )

Der Autor erschafft ein Setting, das treffend zu bezeichnen der Begriff „komplex“ zu wenig ist. Die Ausgestaltung der itreyanischen Republik ist an Venedig und das antike Rom angelehnt. Jeder Ort auf der wunderschön gestalteten Landkarte hat eine Geschichte. Eine Geschichte, die bis ins letzte Detail ausgearbeitet wurde und dem Leser in Fußnoten präsentiert wird.

Was Nevernight so außergewöhnlich macht und wodurch sich der Roman von all den anderen Büchern, die ich bisher gelesen habe, abhebt, ist seine Erzählweise. Kristoff lässt einen Erzähler zu Wort kommen, der uns schon im Prolog davor warnt, dass die Geschichte, die er zu berichten hat, blutig und düster wird. Immer wieder streut er in Fußnoten teils ausschweifende Hintergrundinformationen zum Setting ein oder kommentiert süffisant das Geschehen. Obwohl manche der Erklärungen nerven, weil sie von der Haupthandlung ablenken, machen sie doch einen großen Teil des Charmes dieses Buches aus.

„Dennoch bin ich mir sicher, sie fände eine Möglichkeit, mich umzubringen, wenn sie wüsste, dass ich diese Worte zu Papier bringe.“

(Jay Kristoff, Nevernight. Die Prüfung, S. 9)

Die Prüfung konzentriert sich im Wesentlichen auf Mias Ausbildung im Stillen Berg – einem Berg voller Mörder, in dem sich die Frage stellt: Wem kann man überhaupt vertrauen? Die anderen Akolythen sind ebenso kompromisslos wie die Unterrichtsmethoden, mit denen sie ausgebildet werden – und die nicht jeder überlebt.

Kristoff zeichnet seine Charaktere lebendig und individuell. Sie sind allesamt grau, verfolgen unterschiedliche Ziele, die alle ihre Berechtigung haben, und handeln skrupellos. Sie agieren innerhalb eines Plots, der mit so vielen überraschenden Wendungen aufwartet, dass einem schwindelig wird.

Außergewöhnlich ist auch Jay Kristoffs Schreibstil. Ich habe eine Weile gebraucht, um mit seinen teils sperrigen Formulierungen zurechtzukommen. Aber wenn man sich erst an seinen Stil gewöhnt hat, weiß der Autor mit intelligenten Vergleichen und bildlichen Beschreibungen zu faszinieren. Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht gelesen.

Fazit

Düster, blutig, komplex und ungewöhnlich – Nevernight ist einer der außergewöhnlichsten Romane, den ich in den letzten Jahren entdecken durfte. Ein echtes Highlight.

Der Junge, der überlebte – und mir die Welt der Magie zeigte

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„Setzt mich nur auf, ich sag euch genau,
wohin ihr gehört – denn ich bin schlau.
(…)
Nun los, so setzt mich auf, nur Mut,
habt nur Vertrauen zum Sprechenden Hut!“

(J. K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen, S. 130 f.)

20 Jahre Harry Potter – 20 Jahre voller Magie. Der wohl berühmteste Zauberlehrling feiert in diesem Jahr sein großes Jubiläum. Um das gebührend zu würdigen, hat der Carlsen Verlag der Romanreihe nicht nur ein wunderschönes neues Gewand spendiert, sondern auch zu einer Blogparade aufgerufen. (Weitere Infos findet ihr *hier*.)

Wenn ihr mögt, dann nehme ich euch mit auf eine Zeitreise in meine Kindheit. Zu dem Moment, in dem Harry mir zum ersten Mal begegnete. Muggel, seid gewarnt, denn ich werde euch das Tor zu einer magischen Welt öffnen, die ihr nie wieder verlassen wollt.

Alohomora!

Harry Potter. Kaum ein Name ist mit so vielen Erinnerungen und Emotionen verbunden wie der des Zauberlehrlings mit der Blitznarbe. Ein Name, den wohl jeder schon mal gehört hat. Ich kenne kaum jemanden, der Harrys Geschichte nicht kennt – egal ob er sie durch die Bücher, Hörbücher oder Filme entdeckt hat und egal, wie alt er ist.

Ich erinnere mich noch genau an meine erste Begegnung mit ihm. Es muss im Jahr 2002 gewesen sein, jedenfalls war ich in der Grundschule und alle meine Freunde redeten über Harry und seine magischen Abenteuer. Damals bin ich mit meinem hart zusammengesparten Taschengeld in den Buchladen gegangen. Wenn ich die Augen schließe sehe ich sie immer noch vor mir: Vier Bände neben Blöcken, Druckbleistiften und bunten Radiergummis. Die Buchliebhaberin in mir hat sofort zum Feuerkelch gegriffen – schließlich gab es da am meisten Buch fürs Geld. ^^

Weil ich nicht gut genug lesen konnte, um so einen Wälzer allein zu bewältigen hat, hat meine Mama mir vorgelesen. Natürlich haben wir rasch bemerkt, dass es keine gute Idee war, mit dem vierten Band einzusteigen. Deshalb kamen die anderen nach und nach zu mir – und konnten sogar meinen lesemuffeligen Vater begeistern. Harry Potter ist für mich dieses Gefühl, im Dämmerlicht der Schreibtischlampe und unter meine Bettdecke gekuschelt meiner Mama beim Vorlesen zu lauschen.

Harry Potter und der Stein der Weisen war auch der erste Film, den ich im Kino gesehen habe. In einem kleinen, gemütlichen in der Nachbarstadt. Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich die Titelmelodie der Filme höre.

Mein Grundschul-Ich war nicht weniger fasziniert von Harrys Welt als ich es heute bin.  Meine Liebe zu dieser ganz besonderen Geschichte ist ungebrochen, eher noch stärker geworden. Das Wutschen und Wedeln mit den Zauberstäben habe ich eifrig geübt, aber leider zu meinem 11. Geburtstag keine Einladung für die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei bekommen. Die Enttäuschung war groß, aber es gab ja immer noch die Bücher, meinen persönlichen Portschlüssel nach Hogwarts.

In einer Zeit, in der wir noch keinen Internetanschluss hatten (heute undenkbar) habe ich die Buchhändlerin meines Vertrauen regelmäßig damit gelöchert, wann denn endlich Harrys nächstes Abenteuer erscheint. Ich habe zwar nie vor dem Laden kampiert, aber vorbestellt, hingefiebert und in jeder freien Minute gelesen, wenn ich es endlich – endlich ! – in den Händen hielt. So eine Begeisterung konnte nur noch Christopher Paolinis Eragon bei mir auslösen.

Lumos!

Schlage ich heute einen Harry Potter-Band auf – egal welchen – und lese ein bisschen, fühlte es sich an, wie nach Hause zu kommen. Der Fuchsbau, Hogwarts und der Verbotene Wald sind mir so vertraut, als bräuchte ich nicht mal die Karte des Rumtreibers, um mich zurechtzufinden.

Harry, Ron und Hermine sind für mich mehr als Romanfiguren. Im Laufe der Jahre sind sie zu echten Freunden geworden. Mit ihnen bin ich groß geworden. Freundschaft, Mut und der Umgang mit Tod und Verlust – all das haben wir gemeinsam erlebt. Mit ihnen habe ich gelacht, geschwärmt und gebangt. An ihrer Seite habe ich Dinge fürs Leben gelernt. Dass es okay ist, anders zu sein. Dass jeder mit etwas Dunklem in sich kämpfen muss. Dass es Menschen gibt, die zu einem stehen.

Ich weiß noch, dass mich die Bücher regelmäßig zum Weinen gebracht haben. Nach dem Finale des Halbblutprinzen konnte ich mich kaum beruhigen. Es war so schlimm, dass mein Papa besorgt meinte, ich solle nicht mehr lesen, wenn mich das so aufwühlt.

Bei den Heiligtümern des Todes – dem allerletzten Abenteuer – musste ich ständig weinen. Vor allem als es zu Ende war, fühlte ich mich so … leer und gleichzeitig so erfüllt. Harrys Geschichte war auserzählt – und damit schloss sich auch ein Kapitel meines Lebens.

Expecto patronum!

Harry Potter ist eine Buchreihe, in die ich mich immer wieder aufs Neue verliebe. Schwer zu sagen, was die Magie von Harry Potter ausmacht, die Millionen von Lesern weltweit in ihren Bann schlägt. J. K. Rowling erzählt eine wundervolle, magische, fesselnde und auch düstere Geschichte, die voller Weisheit steckt. Was sie für mich zu etwas ganz Besonderem macht, sind die Erinnerungen, die ich mit ihr verbinde.

Harry Potter ist mein Patronus gegen den tristen grauen Alltag. Ich glaube, selbst Menschen, die ungern lesen, werden irgendetwas in dieser Geschichte finden, mit dem sie sich identifizieren können, das sie tief berührt. Harrys Welt ist dabei so faszinierend, lebendig und stimmig ausgearbeitet, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe, wirklich nur ein unwissender Muggel zu sein und all das – Hogwarts und die Magie – real sind.

Danke, Harry, dass ich an deiner Seite Abenteuer bestehen und erwachsen werden durfte.

Und ein noch größerer Dank an J. K. Rowling, dass ihre Geschichten seit mittlerweile 20 Jahren Magie in unser Leben bringen – und mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

[Rezension] Ily Romansky – Zara Nesbit. Blutrabe | atmosphärischer Mysteryroman

[Werbung]

„Neugier ist gefährlich für jene, die nicht damit umgehen können, was sie finden. Schon manch einem Blutraben ist seine Mahlzeit nicht bekommen.“

(Ily Romansky, Blutrabe, Ebook S. 45)

Magie, Intrigen und eine stimmungsvolle Schaueratmosphäre entspinnen sich in Blutrabe zu einem packenden Auftakt der Mysteryreihe rund um Zara Nesbit.

Auf einen Blick:

 

 

Titel: Blutrabe
Reihe: Zara Nesbit, Band 1
Autorin: Ily Romansky
Verlag: Selfpublishing
Seiten: 437
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: ??? €/ 1, 49€
Erscheinungsdatum: 9. August 2018
Genre: Mystery

 

Darum geht’s

Ein abgelegenes Dorf in Warwickshire. Der Fluch einer Hexe. Eine junge Gouvernante im Kampf gegen dunkle Mächte.
England, 1557. Magie ist aus ihrem tausendjährigen Schlaf erwacht. Ungehindert fließt sie über das Land. Wer ihr begegnet, findet den Tod, oder schlimmer, wird selbst zu einem Magus – gejagt von der Inquisition.
Zara Nesbit, eine unerfahrene Gouvernante, wird in das einsame Dörfchen Blackby geschickt, um die Tochter des Barons Wycliff vor Magie zu beschützen. Schnell stellt sie jedoch fest, dass dunkle Mächte bereits im alten Gemäuer lauern. Als auch noch eine junge Magd unter mysteriösen Umständen stirbt und der Verdacht auf Zaras Schützling fällt, muss sie selbst den Mörder finden, bevor es zu spät ist. Denn der Fluch der Hexe ist noch nicht gebrochen – und der Blutrabe kreist weiter hungrig über ihren Köpfen.

Das Buch

In ihrem Romandebüt entführt Ily Romanski ihre Leser ins England der Regierung Queen Marys. Eine Zeit, die von konfessionellen Gegensätzen geprägt ist und in der die Königin mit unerbittlicher Hand die letzten Keime des Protestantismus auszumerzen versucht. Zugleich ist es aber auch eine Zeit, in der Menschen in der Angst vor etwas leben, das ihren Alltag viel stärker und unmittelbarer beeinflusst als das Königshaus: Magie.

„Es gab keinen Ort (…), der frei von Magie geblieben war. Überall trat sie aus dem Boden und floss in unsichtbaren Flüssen über das Land und wo sie ein geeignetes Opfer fand, riss sie Tier und Mensch gleichermaßen in ihren Bann.“ 

(Ily Romansky, Blutrabe, EBook S.17)

Ily Romanski verwebt die phantastischen Elemente ihrer Erzählung so nahtlos mit dem gut recherchierten historischen Hintergrund, dass ich ihr jedes einzelne Wort davon abgekauft habe. Sie schafft eine gelungene Illusion und kreiert zudem eine Atmosphäre, die an Schauererzählung der alten Schule a la Poe und Lovecraft erinnert.

Der Schreibstil der Autorin ist ein Genuss. Er ist angenehm altertümlich, manchmal etwas sperrig, passt aber wunderbar zu der Art von Schauer- und Mysterygeschichte, die sie erzählt. Mehr noch verblüfft sie mich immer wieder mit intelligenten Assoziationen und Beschreibungen, die den Figuren noch mehr leben einhauchen.

„Die Hebamme fixierte sie mit einem so aufrichtigen Blick, dass Zara tatsächlich über den Mann nachdachte, vor dem sie floh. Sein Name war Tod und nein, sie mochte ihn nicht.“


(Ily Romansky, Blutrabe, EBook, S. 10)

Neben der dichten, stimmungsvollen Atmosphäre, die schon nach wenigen Sätzen entsteht, hat mich von Beginn an auch die starke Zeichnung der Figuren in den Bann geschlagen. Es braucht nur wenige Sätze, um ein ganzes Leben zu skizzieren. Eine Kostprobe gefällig? Dann kann ich euch den Blog der Autorin ans Herz legen. Hier findet ihr das *** erste Kapitel als Leseprobe.***

Im Mittelpunkt des Romans steht Zara Nesbit, eine junge Gouvernante, die eine neue Anstellung ins vermeintlich idyllische Blackby verschlägt. Sie ist eine starke, gebildete Protagonistin mit einem Hang zur Neugierde, der sie gern mal in Konflikt zu den Herren der Geschichte bringt. Zara hat ihren eigenen Kopf, ist dabei ihrer Zeit jedoch nicht voraus. Auch die anderen Charaktere sind gut ausgearbeitet und lebendig. Zwar bedient sich die Autorin einiger Stereotype, bricht diese aber klug auf und hält ihnen den Spiegel vor. Kurz nach ihrer Ankunft in Blackby ereignet sich ein mysteriöser Mord – klar, dass Zaras Neugierde sie zu eigenen Ermittlungen antreibt.

„Entmutigung beschlich Zara wie die Nacht das Land. (…) Sie hatte York verlassen, um der Magie zu entkommen und war ihr geradewegs in die Arme gelaufen.“

(Ily Romansky, Blutrabe, EBook S.27)

Doch es bleibt nicht bei einem Mord. Seltsame Dinge geschehen in Blackby, die Bedrohung durch die Magie – und den Mörder – sorgt für konstante Spannung. Angst, Wahn und falsche Anschuldigungen greifen um sich, bis niemand mehr sicher zu sein scheint. Und welches bedrohliche Geheimnis hütet Zara? Die Figuren und ihre Motive sind allesamt undurchschaubar, an jeder Ecke gibt es falsche Fährten, die den Leser in diesem Verwirrspiel in die Irre führen. Das ist unterhaltsam und spannend geschildert, allerdings waren manche Plottwists so sprunghaft, dass ich Mühe hatte, ihnen zu folgen.

Blutrabe macht einen tollen Gesamteindruck. Von Beginn an konnte ich in der Geschichte und der wundervollen Atmosphäre versinken. Ich bin wirklich begeistert. Wer klassische Schauermärchen und Mysterygeschichten mag, der wird an diesem Roman seine Freude haben. Zara, das Setting und die Geschichte an sich bergen großes Potential für weitere Abenteuer. Eine Fortsetzung ist sehnlichst erwünscht.

Fazit

Mord, Magie und Mystery – Zara Nesbit. Blutrabe hält, was der Untertitel verspricht. Stark gezeichnete Figuren, ein spannender Plot, ein überzeugendes Setting und eine Atmosphäre, die an klassische Schauergeschichten erinnert, sorgen für gute Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite. Ein empfehlenswerter Roman, der Lust macht auf mehr.

Vielen Dank an Ily Romansky die mir den Roman als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. :)

 Über die Autorin

Ily Romansky wurde 1986 an den Ausläufern des Tian Shan Gebirges geboren, in einer Stadt so obskur und unbedeutend, dass die Erwähnung nicht lohnt. Sie studierte Film und Englisches Literaturwissenschaft in Frankfurt am Main und Aberystwyth, Wales. Blutrabe ist ihr Debütroman und der erste Band der Zara Nesbit Reihe. Ily Romansky lebt und arbeitet in Berlin, außer sie treibt sich gerade irgendwo anders herum in der Welt.

Einblick in ihren Schreibprozess und viele weitere interessante Informationen zu Blutrabe und der Reihe um Zara Nesbit findet ihr auf dem *** Blog *** der Autorin. Ein Besuch lohnt sich.

[Rezension] Katelyn Erikson – Meeresgold. Versprechen der See | historische Abenteuerromanze

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„Der Duft von Meerwasser stieg mir in die Nase. Warmer Atem strich über meinen Nacken (…). Zitternd schloss ich meine Augen und wusste, dass es vorbei war. Mein Leben war zu Ende, noch ehe es richtig beginnen konnte.“ 

(Katelyn Erikson, Meeresgold, Ebook S.16)

Piraten, der Ozean, Abenteuer und Romantik – all das sind die Zutaten, aus denen Katelyn Erikson ihren Roman Meeresgold. Versprechen der See strickt.

Auf einen Blick:

 

 

Titel: Meeresgold. Versprechen der See
Autorin: Katelyn Erikson
Verlag: Eisermann Verlag
Seiten: 320
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 12,90 €/ 3, 99€
Erscheinungsdatum: 13. Juli 2018
Genre: historischer Liebesroman

 

Darum geht’s

Heiraten, Kinder kriegen und die brave Gattin spielen – unter der strengen Hand ihrer Eltern hat Lucia es nicht leicht. Gefangen in den Zwängen der Gesellschaft soll sie einen Mann heiraten, den sie noch nie gesehen hat. Als mitten in der Zeremonie Piraten die Hochzeit überfallen, findet die junge Braut sich im Auge des Sturmes wieder.

Entführt von den Feinden ihres Vaters steht Lucia nur der Sohn des Käptn’s zur Seite. Benjamin soll ihr Leben schützen, während er zwischen blutigen Kämpfen und der tosenden See seine eigenen Pläne verfolgt. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass der Schlüssel zu seiner Rache sein Herz im Sturm erobert …

(Quelle: Eisermann Verlag)

Das Buch

Wenn ich Katelyn Eriksons Schreibstil beschreiben sollte, dann würde ich ihn am ehesten als locker, gefällig und humorvoll beschreiben. Genau richtig also für eine Abenteuerromanze, wie sie sie in Meeresgold erzählt.

Im Fokus des Romans steht die Ich-Erzählerin Lucia. Sie ist die Tochter eines einflussreichen Gouverneurs, doch ihr Leben ist nicht so paradiesisch, wie es auf den ersten Blick anmuten mag. Zu ihren Eltern pflegt sie ein schwieriges, unterkühltes Verhältnis, fühlt sich von ihren Erwartungen unter Druck gesetzte und in einen goldenen Käfig gesperrt. Da kommt es ihr eigentlich gar nicht so ungelegen, dass sie ausgerechnet am Tag ihrer arrangierten Hochzeit von Piraten entführt wird.

„Es war ihnen schwer gefallen, einen Mann zu finden, der auf eine Mitgift verzichtete und stattdessen gewillt war, eine angemessene Brautgabe für mich zu leisten. Alles andere hatte keine Relevanz, schließlich wollte der hohe Lebensstandard meiner Eltern bezahlt werden.“

(Katelyn Erikson, Meeresgold, EBook S.5)

Unter ihnen ist auch Ben, der Sohn des Kapitäns und weiterer Perspektivträger. Dass er dazu verdonnert wird, auf Lucia aufzupassen, schmeckt ihm ganz und gar nicht. Mit ihm stellt die Autorin ein Love Interest vor, bei dem schmachtende Leserinnen garantiert sind. Daher braucht es gar nicht viele Seiten bis klar wird: Zwischen Ben und Lucia wird es ordentlich funken.

Und das tut es auch – aber nicht nur im romantischen Sinne. Mit der Zeit an Deck entwickelt sich Lucia mehr und mehr zu einer toughen, selbstbewussten Frau. Zu einer Piratin, die auch unter der Crew Anerkennung findet – und Ben Paroli bietet. Wie es sich für eine gute Romanze gehört, brauchen Ben und Lucia ewig bis sie sich eingestehen können, dass sie für den anderen mehr empfinden als gut für sie und ihnen lieb ist. Es knistert und funkt. Man hasst sich, zankt sich und kommt sich näher. Das alles schildert die Autorin zwar charmant, aber das ein oder andere Geplänkel wirkt dann doch etwas bemüht.

„Ich bin ein Pirat, ein Freibeuter. Mein Herz gehört der See und nicht irgendeinem dahergelaufenen Weib.“

(Katelyn Erikson, Meeresgold, EBook S.70)

Bemüht wirken auch die Versuche, Lucias Lage vor allem am Anfang als besonders bedrohlich darzustellen. Erikson greift dabei auf einige altgediente Motive zurück, die man typischerweise mir Piraten verbindet. Da ist die Möglichkeit einer drohenden Vergewaltigung, die nahezu in jedem Kapitel angeschnitten wird und irgendwann ihren Schrecken verliert. Da sind die saufenden, raufenden, stinkenden und hurenden Piraten, die Lucia als bloßes Objekt ihrer Begierden betrachten. Außer Ben und seine Männer natürlich. Denn Ben ist es auch, der Lucia wie ein Held in strahlender Rüstung zu Hilfe eilt. Und das nicht nur einmal. Für meinen Geschmack auch etwas zu oft.

„Schwäche war mein Grab, Selbstmitleid der Untergang.“

(Katelyn Erikson, Meeresgold, EBook S.43)

Die Charaktere bleiben – einschließlich Lucia – blass und agieren entweder schablonenhaft oder überzogen. Dennoch gelingt es dem Roman, einen Sog zu entwickeln, der mich nicht mehr losgelassen hat. Das Hin und Her der Gefühle und die Geschichte drumherum sind durchaus spannend, wenn auch absolut vorhersehbar. Die ein oder andere Kampfszene sorgt für Nervenkitzel.

Neben der Vorhersehbarkeit der Handlung gibt es für mich noch zwei weitere handwerkliche Schnitzer, die den Gesamteindruck des Romans für mich deutlich getrübt haben. Nicht nur, dass Motive  wiederholt werden, auch Begriffe oder ganze Sätze werden wiederholt. (Dabei sollte es auffallen, wenn binnen fünf Zeilen mindestens genau so oft das Wort „reißen“, „Arme“ und „Rücken“ wiederholt wird.) Ziemlich ermüdend.  Zudem scheint die Autorin den Wunsch verspürt zu haben, die Rauheit der Piraten an einigen Stellen durch besonders derbe Formulierungen und zu charakterisieren. Diese heben sich leider negativ ab, da sie absolut unpassend und gewollt scheinen.

„So ungern ich es auch zugab, so sehr sich dieses Verhalten auch nicht schickte, ich genoss es. Tatsächlich stellte dieses Neue und Unsittliche eine interessante Erfahrung dar.“

(Katelyn Erikson, Meeresgold, E-Book, S. 67)

Zum anderen nutzt die Autorin Begriffe, die aus der Zeit fallen. Vor allem im ersten Kapitel verwendet Erikson viel Mühe darauf, mittels Details und Wortwahl eine stimmige Atmosphäre zu kreieren, die den Geist der Zeit der Piraten wunderbar einfängt. Wenn dann Gefühle plötzlich „Achterbahn fahren“ oder jemand „trainiert“ ist, dann zerstört das die historische Illusion – und die Atmosphäre.

Für Atmosphäre sorgen jedoch die detailverliebten Zeichnungen, die in unregelmäßigen Abständen Szenen aus dem Roman in Bildern bannen. Und das so stimmungsvoll, dass das Herz jedes Bibliophilen höherschlägt. Stimmungsvoll ist auch die finale Szene des Romans. Ihre Magie und Poesie hätte ich mir für den ganzen Roman gewünscht.

Fazit

Meeresgold. Versprechen der See ist eine historische Abenteurromanze, die das Genre nicht neu erfindet. Ein blasses Heldenpaar zwischen dem die Chemie stimmt inmitten eines vorhersehbaren, oft uninspirierten Plots, der mit gängigen Piratenklischees gespickt ist. Dennoch unterhaltsam geschrieben.

 Vielen Dank an den Eisermann Verlag, der mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt und mir die Teilnahme an der Leserunde auf Lovelybooks ermöglicht hat. :)

[Rezension] Bernhard Hennen – Die Chroniken von Azuhr I: Der Verfluchte | Die Märengestalten erwachen

[unbezahlte Werbung]

„Und so ersann die Silberne Prinzessin ihr letztes Geschenk: die Mären. Geschichten von einer Welt voller Magie, voll dunkler Gestalten und strahlender Helden, von selbstloser Liebe und nie verlöschendem Zorn.“

(Bernhard Hennen, Der Verfluchte S.273)

Im Auftakt seiner neuen Trilogie Die Chroniken von Azuhr entführt uns Bernhard Hennen in eine magische Welt voller Mären – und erzählt von der Macht der Worte und der Phantasie. Obwohl ich den Roman schon im Frühjahr verschlugen habe, bin ich erst jetzt dazu gekommen, ihn zu rezensieren.

Auf einen Blick:

Die Chroniken von Azuhr – Der Verfluchte

 

 

Titel: Der Verfluchte
Reihe: Die Chroniken von Azuhr, Band 1 (von 3)
Autor: Bernhard Hennen
Verlag: Fischer Tor
Seiten: 576
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 16,99 €/ 14, 99€
Erscheinungsdatum: 29. Dezember 2017
Genre: High Fantasy

 

Darum geht’s

Der Beginn eines neuen magischen Zeitalters – die neue Bestseller-Serie von Deutschlands Fantasy-Autor Nr. 1: Bernhard Hennen!

Der junge Milan Tormeno ist dazu ausersehen, seinem Vater Nandus in das Amt des Erzpriesters zu folgen: Er soll einer jener mächtigen Auserwählten werden, die die Geschicke der Welt Azuhr lenken.
Doch Milan kann nicht akzeptieren, dass sein Schicksal vorherbestimmt ist. Er rebelliert – und verstrickt sich mit der Meisterdiebin Felicia und der geheimnisvollen Konkubine Nok in ein gefährliches Netz von Intrigen.
Gemeinsam geraten sie in den Bann einer alten Prophezeiung – einer Prophezeiung, nach der die Ankunft des »Schwarzen Mondes« in Azuhr ein neues Zeitalter der Magie einläuten wird …

(Quelle: Fischer Tor)

Das Buch

Bernhard Hennen ist für mich ein unvergleichlicher Geschichtenerzähler. Es gibt wohl kaum einen Autor, dessen Erzählungen ich so begierig aufsauge wie die seinen. Nicht umsonst zählt sein Roman Die Elfen zu meinen allerliebsten *** Herzensbüchern ***. Dementsprechend neugierig war ich, als angekündigt wurde, dass er nicht nur von Heyne zu Fischer Tor wechselt, sondern auch den Elfen den Rücken kehrt, um seine Leser in eine völlig neue Welt zu entführen. Dementsprechend habe ich mir auch die limitierte, signierte Ausgabe mit dem wunderschönen blauen Schnitt besorgt, die sich in meinem Regal wirklich toll macht. :) Dementsprechend hoch waren auch meine Erwartungen.

„Er hatte die Mär vom Krähenmann erzählt. Eine wunderbare Geschichte darüber, wie am Ende stets die Gerechtigkeit über das Dunkel in der Welt obsiegte.“

(Bernhard Hennen, Der Verfluchte, S.7)

Die ersten gut 80 Seiten nehmen sich Zeit für ein bisschen Vorgeschichte – und ein wichtiges Kapitel der Familiengeschichte des jugendlichen Protagonisten Milan Tormeno, die 53 Jahre vor der eigentlichen Handlung spielt. Vieles daran hat mir so gar nicht gefallen, mich sogar in eine echte Lesekrise gestürzt. Sollte Der Verfluchte tatsächlich der erste Roman aus Hennens Feder sein, den ich nicht gut finde?

Gestört hat mich vor allem, dass sich der Autor Motive bedient, die er schon in seinen anderen Romanen (hier vor allem der Elfenritter) benutzt hat. Zwar in einen anderen Kontext eingebettet, aber dennoch las es sich … aufgewärmt. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber gegen Ende der Vorgeschichte hat sie mich doch packen können – und daran ist eine kongeniale Anspielung auf Edgar Allan Poe nicht ganz unschuldig.

„Gradlinig und wagemutig, so waren die Helden in Mären. Und so musste auch er sein.“

(Bernhard Hennen, Der Verfluchte, S. 530)

Die Erzählung, die sich danach entfaltet, hat meine kühnsten Erwartungen noch um Längen übertroffen. Ausgangspunkt ist ein klassischer Vater-Sohn-Konflikt zwischen Milan und seinem Vater, dem er ins Amt des Erzpriesters nachfolgen soll. Das Verhältnis der beiden ist vor allem durch Strenge auf Seiten Nandus‘ und eine trotzige, ablehnende Haltung Milans gegenüber den Wünschen seines Vaters geprägt. Hennen gewinnt dem altbekannten Motiv kaum Neues ab, macht aber die Beweggründe beider Figuren nachvollziehbar.

Milan will sich unbedingt von seinem Vater emanzipieren und dem starren Korsett der hohen Erwartungen, die dieser an ihn stellt, entfliehen. Dabei geht er so weit, seinem Vater einen Streich zu spielen – mit ungeahnten Folgen.

„Dieses Streben nach Vollkommenheit war der Fluch, der auf Milans Leben lastete. (…) So sehr er sich auch anstrengte, immer fand Nandus etwas an ihm auszusetzen.“

(Bernhard Hennen, Der Verfluchte, S. 81)

Unglaublich geschickt webt Hennen nach und nach immer mehr magische Elemente in den Plot ein. Mit großer Freude am Fabulieren spinnt er bezaubernde und zugleich erschreckende Mären, die dem Roman ein besonderes Flair verleihen. Da gibt es die weiße Königin oder den Krähenmann, der nachts durch die Gassen streift und Kinder raubt. Nach und nach stellt sich heraus, das hinter einiger dieser Geschichten, viel mehr steckt. Denn in Azuhr bricht ein Zeitalter an, in dem Märengestalten wieder lebendig werden.

Die Welt von Azuhr verbindet italienische und asiatische Elemente, ist komplex aufgebaut und detailliert ausgearbeitet. Mehrere Parteien kämpfen um die Macht – und ehe Milan sich versieht, findet er sich mitten in den verworrenen Machtkämpfen wieder und muss sich entscheiden, auf wessen Seite er sich stellt.

Neben Milan begleiten wir allerdings auch noch einige andere Figuren. Jede von ihnen hat eine eigene, unverwechselbare Erzählstimme. Da ist unter anderem Nok, die geheimnisvolle Konkubine, die voller (fernöstlicher) Weisheit steckt. Aber auch Felicia, die Diebin, die mehr ist, als sie zu sein vorgibt.

„’Warum folgen wir dem Jungen überhaupt?‘
‚Weil er ein Tormeno ist. Er wird mächtig werden. Jetzt kann ich Einfluss auf ihn nehmen. Das wird die Zukunft verändern.’“

(Bernhard Hennen, Der Verfluchte, S. 133)

Sie alle sind authentisch und facettenreich. Hennen braucht gar nicht viele Worte, um sie in meiner Vorstellung lebendig werden zu lassen. Einige sind sympathisch, andere gewollt abstoßend, doch sie alle tragen dazu bei, dass sich eine temporeiche, fesselnde Geschichte entspinnt – die nicht alle überleben. (Natürlich stirbt eine meiner Lieblingsfiguren, aber es besteht Hoffnung, dass sie irgendwie zurückkehren wird.)

Freunde epischer High-Fantasy werden mit Der Verfluchte voll auf ihre Kosten kommen – aber auch jeder, der Geschichten und vor allem Märchen liebt. Die Mischung aus Magie, Intrigen und packenden Kampfszenen versteht gleichermaßen zu fesseln und zu unterhalten. Ein sehr lesenswerter Roman, der für meinen Geschmack viel zu schnell vorbei war. Zum Glück erscheint die Fortsetzung schon im Herbst 2018.

Fazit

Bis auf den langatmig geratenen Beginn schafft Bernhard Hennen mit Der Verfluchte einen Roman, der mich auf ganzer Linie überzeugen und begeistern konnte. Eine Geschichte über die Macht der Worte – und der Mären – voller Magie und Intrigen, grandios erzählt und mit toll ausgearbeiteten Figuren. Eine klare Empfehlung.

[Rezension] Elea Brandt – Sand & Wind | Seid ihr bereit für ein orientalisches Abenteuer?

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„Mein Vater sagt immer, die Wüste ist wie eine ylasische Frau. Wunderschön, aber sie bringt dich um, wenn du nicht mit ihr umzugehen weißt.“

(Elea Brandt, Sand & Wind, Ebook S.168)

Die rote Wüste steckt voller Legenden und uralter Magie – und genau davon erzählt uns Elea Brandt in Sand & Wind, einem Fantasyabenteuer mit orientalischem Flair.

Auf einen Blick:

Sand & Wind

 

 

Titel: Sand & Wind
Reihe: Die Legende der roten Wüste, Band 1
Autorin: Elea Brandt
Verlag: Verlag ohneohren
Seiten: 250
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: ??? €/ 3, 49€
Erscheinungsdatum: 29. Juni 2018
Genre: orientalische Fantasy

 

Darum geht’s

Tief in der Wüste regt sich uralte Magie. Mit dem roten Sand fegt sie durch die Gassen der Stadt Zarbahan und enthüllt ein lange gehütetes Geheimnis.

Während der vorlaute Gauner Quiro seinen Lebensunterhalt mit Taschenspielertricks verdient, versucht der junge Schah Elis, den brüchigen Frieden im Land zu bewahren. Eines Tages begegnen die beiden einander – und die Ereignisse überschlagen sich. Elis verschwindet unter mysteriösen Umständen und Quiro findet sich mitten in den Ränkespielen der Mächtigen wieder, wo ihn jeder Fehler den Kopf kosten kann. Denn dunkle Kräfte ruhen im Wüstensand – und nur Quiro kann sie aufhalten.

(Quelle: Verlag ohneohren)

Das Buch

Sand & Wind ist der erste Band der auf zwei Bände angelegten Legende der roten Wüste. Wie ich es von Elea Brandt gewohnt bin, braucht sie auch in ihrem mittlerweile dritten Roman nicht viele Worte, um mich nach Zarbahan und in den Palast des Schahs zu entführen. Gibt es einen besseren Beweis dafür, dass sie eine unglaublich talentierte Geschichtenerzählerin ist? Ihr Stil ist locker und gefällig, witzig und mit Vergleichen und Metaphern gespickt, die nur innerhalb der Romanwelt funktionieren. Dabei beweist sie auch ein feines Gespür für das Tempo ihrer Erzählung. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, die die flirrende Hitze des Wüstensands, Gerüche und Farben einfängt und zu einem bezaubernden orientalischen Flair verwebt.

„Was gäbe sie darum, jetzt draußen vor den Mauern der Stadt durch den roten Sand reiten zu können? Zuzusehen, wie der Wind verschlungene Muster auf die Dünen zeichnete und wie die Sonne glühend rot hinter den Bergen im Westen verschwand?“

(Elea Brandt, Sand & Wind, EBook S.22)

Unser erster ‚Reiseführer‘, der uns durch die Gassen Zarbahans begleitet, ist Quiro, seines Zeichens ein Dieb und Taugenichts – und mir auf Anhieb sympathisch. Er ist ein charmantes Schlitzohr, nimmt kein Blatt vor den Mund und hat in Farzam und Barush zwei so treue Freunde gefunden, wie man sie sich nur wünschen kann. Die Dynamik innerhalb der Dreiergruppe, ihre kleinen Reibereien und Sticheleien haben mich oft schmunzeln lassen.

„Quiro schluckte. Es gab schon einen Grund, warum er nur ein räudiger Gauner geworden war – Denken war scheinbar nicht seine Stärke.“

(Elea Brandt, Sand & Wind, EBook S.181)

Dann ist da noch Elis, dessen Leben nicht verschiedener von dem Quiros sein könnte. Seit einem Jahr lenkt er als Schah die Geschicke Zarbahans – und weiß seinen Onkel Izafar als zuverlässigen Berater an seiner Seite. Die Fußstapfen, in die er

Prinzessin Arazin (Skizze von Elif Siebenpfeiffer)

zu treten hat, scheinen ihm an manchen Tagen zu groß. Vor allem deshalb, weil das Friedensabkommen zwischen Zarbahan und Ylas noch immer fragil ist.

Deshalb soll er Arazin, die Prinzessin von Ylas heiraten. Ich glaube, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass sie von all den interessanten Figuren mein Liebling ist. (Eventuell bin ich auch voreingenommen, immerhin durfte ich Arazin im Rahmen der Releasewoche zu Sand & Wind interviewen. *** lest gern mal rein. ***)

 

„Sie war wirklich schön, seine Verlobte. Keine sanfte, zarbahanische Schönheit, aber geschmeidig, herb und wild, wie eine Gepardin, deren Krallen man lieber nicht zu nahe kam.“

(Elea Brandt, Sand & Wind, EBook S.44)

Die stolze, unbeugsame Wüstenprinzessin steckt jeden ihrer männlichen Romankollegen locker in die Tasche. :) Wunderbar treten hier auch die Unterschiede zwischen Zarbahan und Ylas zutage, zeigen das gewohnt detailreiche Setting, in dem Magie eine große Rolle spielt.

Alle Figuren sind beeindruckend authentisch, mit Eigenheiten, die sie unverwechselbar machen, und Zielen, die sie um jeden Preis erreichen wollen. Auch wenn Sand & Wind insgesamt eher einen lockeren Ton anschlägt, ein Abenteuerroman ist, der mit einem großen Augenzwinkern erzählt wird, bleibt dennoch Raum für ernste Themen, die unaufdringlich und mit Fingerspitzengefühl in die Erzählung eingebettet werden.

Trotz all des Lobes gibt es dennoch einige kleinere Kritikpunkte. Der Plot von Sand & Wind bedient sich eines Motivs mit einer langen literarischen Tradition. (Um euch nicht zu spoilern, bleibe ich an dieser Stelle bewusst wage.) Ein Motiv, das eigentlich gar nicht meins ist, weil es schon so ausgelutscht ist. Aber Elea Brandt gelingt es, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Umwege einzuschlagen, die überraschen und/oder amüsieren. Anfangs sind einige Aspekte der Handlung leider vorhersehbar, aber der Unterhaltungswert des Romans entschädigt mehr als genug dafür. Hinzu kommt noch ein packendes Finale, das Raum für Spekulationen lässt, wie es im nächsten Band weitergehen könnte.

Fazit

Flirrende Wüstenhitze, orientalisches Flair und ein augenzwinkernd erzähltes Fantasyabenteuer. Sand & Wind ist ein Roman, der gute Laune macht, mit gut ausgearbeiteten, sympathischen Figuren begeistert und mit einem detailreichen, durchdachten Setting überzeugt. Eine klare Empfehlung.

Vielen Dank an Elea Brandt und den Verlag ohneohren, die mir den Roman als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. :)

 Über die Autorin

Wenn Elea Brandt eines ist, dann vielseitig – und produktiv. Ende 2017 erschien ihr Debütroman, der Dark-Fantasy Thriller Opfermond (Mantikore-Verlag, *** zur Rezension ***), der nicht nur auf der Phantastik-Bestenliste (Februar 2018), sondern auch auf der Longlist des Deutschen Phantastik Preises landetet.

Anfang 2018 entführte sie ihre Leser in Unter einem Banner (Dead Soft Verlag, *** zur Rezension ***) in eine packende Low Fantasy-Welt – und nun in Sand & Wind in ein orientalisches Fantasysetting.

Mehr über die Autorin, ihre aktuellen Projekte sowie spannende Beiträge rund um verschiedene literarische Themen findet ihr auch auf Eleas Blog – reinschnuppern lohnt sich!