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„Beim Anblick des Hauses (…) bekam er eine Gänsehaut. (…) Vielleich lag es (…) an den seltsamen Dingen, die gestern Abend nach seiner Ankunft in dem Haus passiert waren.“
(Sabi Lianne, Das Amulett von Whitby)
Vor kurzem durfte ich die Anthologie Gruselmeer, eine Sammlung schaurig-schöner Kurzgeschichten einiger Autorinnen und Autoren des Onlinemagazins Schreibmeer in einer Leserunde auf Lovelybooks entdecken.
Auf einen Blick:

Titel: Gruselmeer: Schaurig schöne Kurzgeschichten
Herausgeberin: Marija Kraujas
Seiten: 212
Format: Taschenbuch/E-Book
Preis: 13, 99€/ 2,99€
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2017
Genre: Gruselgeschichten
Bildrechte liegen beim Schreibmeer
Klappentext
Wenn die Abende dunkel werden und die Nächte kalt, ist die Zeit der Geister und Nachtmahre gekommen. Genau richtig, um sich mit einem guten Buch in finstere Welten entführen zu lassen. Mit unseren schaurig-schönen Geschichten taucht ihr mit uns ins Gruselmeer ein.
(Quelle: Schreibmeer)
Das Schreibmeer
Das Schreibmeer ist ein Blog und Onlinemagazin, das sich Themen rund um das Schreiben widmet. Die Artikel des Schreibmeers sind ebenso vielfältig und vielseitig wie die Autorinnen und Autoren, die Beiträge für das Magazin verfassen. (Schade, dass ich erst jetzt auf die Seite aufmerksam geworden bin. *Hier* könnt ihr ein bisschen stöbern, wenn ihr wollt.). Gruselmeer ist bereits die zweite Anthologie, in der einige der Schreibmeerautoren ihre Erzählungen präsentieren.
Die Anthologie
Wie der Titel vermuten lässt, steht die gesamte Anthologie im Zeichen des Gruseligen und Schaurigen – der perfekte Lesestoff also für die dunkle Jahreszeit. Die neun Autoren interpretieren das Thema auf vielfältige Weise, wobei einige Erzählungen nur wenige Seiten umfassen, und andere durchaus länger sind. Alle sind mit viel Herzblut geschrieben, weshalb ich euch die einzelnen Geschichten gern kurz und knapp vorstellen möchte.
Anki M.: Klänge aus der Anderswelt
Die Kurzgeschichte besticht durch eine wundervoll poetisch-mystische Atmosphäre. Geschickt webt die Autorin ein Lied in ihre Erzählung ein, entführt ihre Leser gemeinsam mit der jungen Aislinn durch den nächtlichen Wald. Eine Geschichte von Sehnsucht, Trost und der Suche nach dem wahren eigenen Ich. Kein Horror im klassischen Sinne, aber dennoch hatte ich eine Gänsehaut, weil mich die Geschichte so berührt hat.
Myna Kaltschnee: Die Brandruine
Drei Jugendliche wagen sich nachts in ein heruntergebranntes Haus – und erleben dort wahres Grauen. Klingt nach einer Figurenkonstellation und einer Ausgangssituation, wie sie oft in Horrorfilmen vorkommt. Tatsächlich entwickelt sich die Geschichte zu einem Splatter. Das ist leider nicht so mein Geschmack, aber handwerklich dennoch gut gemacht. Myna Kaltschnee hat vor allem einen unglaublich bildhaften Schreibstil, der mich beim Lesen mitten in die Brandruine entführt hat.
Sabi Lianne: Das Amulett von Whitby
Ein Held wider Willen. Ein altes Artefakt. Und ein Geist, der keine Ruhe findet – das alles in einem englischen Küstenstädtchen. Sabi Lianne kreiert schon zu Beginn eine Atmosphäre und ein Setting, die an klassische Schauergeschichten erinnern. Ihr Schreibstil ist flüssig und sehr gefällig. Besonders hat mir gefallen, dass der Charakter des Protagonisten für eine Kurzgeschichte ungewöhnlich gut ausgearbeitet wird. Er ist tief und authentisch – und unglaublich sympathisch. Leider ist das Ende der Geschichte so gestaltet, dass ein Großteil der tollen Atmosphäre verloren geht.
Florian Waldner: Das Haus in Athens
Hochstapler bekommen es mit einem waschechten Spuk zu tun – eine geniale Geschichte, die definitiv zu den Highlights der Anthologie zählt. Die beiden Protagonisten haben mich wirklich um ihren Finger gewickelt – gern würde ich mehr von ihnen lesen. :) Auch sprachlich kann Das Haus in Athens überzeugen: Der Schreibstil ist locker, bildhaft und schafft eine beklemmende Atmosphäre. Ein bisschen habe ich mich (wohlig) gegruselt.
Katrin Scheiding: Am Salzmarkt
Die große stärker dieser Geschichte liegt in ihrer wundervollen Protagonistin Henriette, die eigensinnig, selbstbewusst und scharfzüngig ist – und sich herrliche Wortgefechte mit dem Historiker Justus liefert, der einfach so in ihrem Archiv auftaucht. Gemeinsam kommen beide im Brandenburg des 19. Jahrhunderts einem alten Geheimnis auf die Spur, dass all die seltsamen Begebenheiten im Haus am Salzmarkt erklärt. Trotz kleinerer Schwäche eine unterhaltsame Erzählung. Wirklich toll geschrieben.
„Unzählige Geheimnisse aus alter Zeit warteten darauf, von ihr entdeckt und zum Leben erweckt zu werden.“ “
(Katrin Scheiding, Am Salzmarkt)
Madita Sternberg: Der Ring des Raxoth
Joan reist nach Salem, um das Erbe ihres Großvaters abzuholen – einen Ring, an dem nicht nur sie interessiert zu sein scheint. Der Schreibstil der Autorin ist packend. Ihr gelingt es, eine stimmige Atmosphäre entstehen zu lassen, denn dem Ring haftet etwas Unheimliches an. Allerdings entwickelt sich die Geschichte in eine Richtung, die ich so nicht erwartet habe. Viel unnötige Effekthascherei. Dennoch hatte ich beim Lesen das Gefühl, den Anfang eines Romans vor mir zu haben.
Marija Kraujas: Carnivorenexpress
Ein Mädchen begegnet in der Transsibirischen Eisenbahn ihrem schlimmsten Albtraum. Nach einem wirklich starken Auftakt verliert sich die Handlung in Ungereimtheiten und lässt mich ratlos und mit vielen Fragen zurück. Schade.
Katherina Ushachov: Ein Traum
Stell dir vor, du siehst in jedem deiner Träume ein und dasselbe Gesicht – doch kannst es dir nach dem Aufwachen nicht in Erinnerung rufen.
Ein Traum ist eine wahnsinnig tolle Kurzgeschichte. Ich habe mich auf Anhieb in die poetische Sprache, die surrealen Traumbilder und diese Stimmung, die ich kaum in Worte kleiden kann, verliebt. Berührend und unaufdringlich erzählt – mit einem Ende, mit dem ich definitiv nicht gerechnet habe.
Jill Noll: Die steinerne Frau
Ein vielversprechender Anfang, aber dann … Die Geschichte will zu viel, schwankt zwischen Gesellschaftskritik und Rachestory, aufgeladen mit religiösen Motiven. Sie möchte zum Nachdenken anregen, doch greift zu viele Aspekte auf einmal auf.
Sprachlich habe ich mich mit der Kurzgeschichte auch schwer getan: Für meinen Geschmack gab es zu viele Wiederholungen von Worten oder ganzen (Halb-)Sätzen. Die Handlung plätschert so dahin, vermutlich auch deshalb, weil mir die Protagonistin und ihre Motive seltsam fern geblieben sind.
Die steinerne Frau hebt sich deutlich von den anderen Geschichten der Anthologie ab – mit einer Gruselgeschichte hat sie allerdings nichts zu tun und passt in meinen Augen nicht in diesen Sammelband.
Gesamtfazit
Gruselmeer hat mich wirklich positiv überrascht. Ich hätte anfangs nicht vermutet, dass die gesammelten Geschichten so gut sind. :) Natürlich haben nicht alle Texte meinen Geschmack getroffen, aber das erwarte ich von einer Anthologie auch nicht. Drei waren dabei, die nicht so mein Fall waren – von denen zwei sprachlich und handwerklich nichtsdestotrotz sehr gelungen sind. Einige der Autoren sind auch deutlich von H. P. Lovecraft beeinflusst.
Vielleicht habt ihr es meinen Kurzkritiken schon angemerkt: Es gibt einige Erzählungen, die mich wirklich begeistern konnten. Dazu zählen auf jeden Fall Florian Waldners Das Haus in Athens, Das Amulett von Whitby aus der Feder von Sabi Lianne sowie Ein Traum von Katherina Ushachov.
Fazit:
Die Anthologie Gruselmeer bietet abwechslungsreiche, kurzweilige Unterhaltung. Auch wenn nicht alle Geschichten schaurig sind, können die meisten dennoch durch ihre erzählerische Qualität überzeugen.
Vielen Dank an das Schreibmeer, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte! :)