#Writing Friday – Tand

Willkommen zur nächsten Ausgabe des #Writing Friday daher. Heute habe ich dir einen Text zu folgender Aufgabe mitgebracht: Du findest auf der Straße ein Buch, welches sehr mitgenommen aussieht. Plötzlich fängt es an, mit dir zu sprechen …

Als ich mich an den Laptop gesetzt habe, ist der Text einfach aus mir herausgeflossen. Das Schreiben war seit langem mal wieder … irgendwie meditativ und hat mich alles um mich herum vergessen lassen. Dabei ist das Gespräch mit dem Buch auch etwas kurz geraten – es sei mir bitte verziehen. :)

Wegen der DSGVO musste ich ja leider mein Kommentarfeld schließen. Falls dir mein Text gefallen hat, würde ich mich trotzdem über eine kurze Nachricht via Mail freuen :)


Tand

Gedankenversunken schlenderte Evelyn durch den Stadtpark, ließ die kleine Gruppe ihrer Kommilitoninnen, die es sich in der Abenddämmerung auf einer Decke gemütlich gemacht hatte, hinter sich. Der weiße Kies auf den verschlungen angelegten Wegen knirschte leise unter ihren Schritten, verschmolz mit dem Säuseln des Windes in den Baumkronen zu einem angenehmen Hintergrundgeräusch. Sie hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen. In ihrer Einzimmerwohnung erwarteten sie bloß Stille – und ihre Bücher, die sich dicht an dicht in dem großen Regal drängten, das ihr Vater selbst zusammengezimmert hatte, als Evelyn mit Beginn des Studiums hierhergezogen war.
Normalerweise machte ihr die Stille nichts aus. Ihre Bücher genügten ihr. Waren ihr genug. Ihre engsten, vertrautesten Freunde. Nahmen sie so an, wie sie war – und verwandelten sie in das, was sie gern wäre – zumindest für eine Weile. Aber gerade jetzt, wo sich alle nach den Seminaren verabredeten, um am See oder im Park zu chillen oder zu grillen, kam ihr die Stille daheim umso bedrückender vor. Einsamer. Deshalb blieb sie länger in der Uni. Sie liebte die Ruhe in der Bibliothek. Zwischen den hohen Regalen neben anderen Studenten zu sitzen, war genau die richtige Dosis an sozialen Kontakten, die sie brauchte. Sie arbeiteten nebeneinander, aber an einander vorbei. Anonym. Nach wenigen Augenblicken wieder vergessen. Niemand sprach sie an. Kein lästiger Smalltalk. Niemand, der sich eh nicht dafür interessierte, was sie tat, dachte, sagte. Der nur aus Höflichkeit …

Evelyn überstolperte einen Schritt. Auf ihrer Lieblingsparkbank, von der die weiße Farbe in Flocken abblätterte, stand ein Karton im Schatten der alten Kastanie. Groß und an den Rändern gewellt, aber ohne Deckel, störte er den vertraut-gewohnten Anblick. Zum Mitnehmen, erklärte ein Zettel, der daran befestigt war.
Neugierig trat Evelyn näher. Ein ausgefranster Schal. Ein Porzellangeiger, die Wangen gerötet, das barocke Gewand aufgerüscht. Ein empörter Ausdruck auf seinem blassen Gesicht, als er den abgebrochenen Geigenbogen betrachtete.
Noch mehr Tand. Tand, der früher mal jemandem gehört hatte. Der früher mal jemandem etwas bedeutet hatte. Der Erinnerungen mit sich brachte – und eine Geschichte, die Evelyn niemals erfahren würde. Sie war schon an der Bank vorbei, als sie noch einmal umkehrte. Behutsam nahm sie den Geiger zur Hand, drehte ihn hin und her. Er war noch immer hübsch, befand sie. Vielleicht etwas kitschig, aber …

Da entdeckte sie ein Buch. Der Einband abgegriffenes Leinen, die Seiten zerknittert und vergilbt. Sie bettete den Geiger auf den Schal und barg ihren Fund. Das Papier schmiegte sich zart an ihre Finger, als sie das Buch aufschlug. Die Buchstaben verwischten zu einem druckergeschwärzten Strom, als sie durchblätterte, doch der etwa ab der Mitte des Buches abbrach. Leere Seiten. Bis sie auf eine Notiz in einer geraden, engen Schrift stieß:
Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden.
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie das Buch an ihre Brust drückte und mit pochendem Herzen auf ihre Kommilitoninnen zuhielt.


Der #Writing Friday ist eine Aktion von  Elizzy von read books and fall in love. Jeden Freitag veröffentlichen einige Blogger*innen, die das Schreiben genau so lieben wie das Lesen,  einen kurzen Text. Egal ob Geschichte oder Gedicht, erfunden oder mit persönlichem Bezug – Hauptsache kreativ. 

Wenn ihr selbst noch nach Themen sucht, über die ihr schreiben könnt, oder einfach ein bisschen schmökern wollt, dann schaut doch mal bei Elizzy vorbei. Dort findet ihr eine Übersicht aller Teilnehmer, über die Regeln des #Writing Friday sowie die aktuellen Schreibthemen.  Die anderen würden sich sicher freuen, wenn ihr ihren lesenswerten Blogs einen Besuch abstattet. :)

Meinen letzten Beitrag zum #Writing Friday findet ihr* hier *. Darin verrate ich euch etwas über die Erfindung des Teefons, das ihr garantiert noch nicht wusstet.